Abends im Bremer Ratskeller Anfang November 2010, nach zwei Tagen auf dem Unternehmertag und dem ersten Platz beim DSLV-Nachwuchspreis Spedition und Logistik, gab es für die damals 22-jährige Sarah Kemeter keinen Zweifel: „Nach dem Wettbewerb war ich mir sicher, dass ich Karriere machen möchte.“ Neben ihrem Job bei der Zufall Logistics Group in Fulda begann sie nur wenig später die Weiterbildung zur Fachwirtin Güterverkehr und Logistik. Rund 60 Samstage feilte sie an Prozessen des Güterverkehrs und der Logistik, übte Kommunikationstechniken, verhandelte Leistungsangebote. Das gab ihr das Rüstzeug, um zu sagen, „Jetzt ist Zeit, um einen anderen Weg einzuschlagen.“
Als das Büro von Zufall im Frühjahr 2013 von Frankfurt am Main nach Friedberg in Hessen verlegt werden sollte, bewarb sie sich bei Styrolution, einem Hersteller von Kunststoffgranulaten. Dort betreut sie seit gut zwei Jahren die logistischen Abläufe, anfangs noch allein. „Am ersten Tag gab es noch keine Transportdisposition“, erklärt sie. Styrolution wurde erst Ende 2011 als ein Joint Venture zwischen BASF und Ineos gegründet. Seit Mitte 2014 ist Styrolution ein 100-prozentiges Tochterunternehmen von Ineos. Kemeter übernahm zunächst die Aufgabe, ein neues SAP-System zu integrieren, und baute die gesamte Transportlogistik auf. Die erste Zeit sei sehr arbeitsintensiv und fordernd gewesen, sagt sie im Rückblick. Arbeiten unter hohem Zeitdruck Heute koordiniert Kemeter die Lieferungen der Werke in Ludwigshafen, Schwarzheide bei Dresden und Köln an die Kunden des Chemieunternehmens. Das erfordert
Arbeiten unter hohem Zeitdruck: Wenn eine Produktion ausfällt, der Kunde aber auf die Lieferungen drängt, muss sie sofort reagieren. Manche Tonne Granulat geht dann per Sprinter schnellstmöglich auf die Reise. „Der Zeitdruck, bei Verzögerungen im Produktionsablauf rechtzeitig zu liefern, ist extrem“, sagt sie.
Und die Vorstellungen der Kunden sind nicht unbedingt deckungsgleich mit denen der Transportfachfrau.. Um das Granulat direkt weiterverarbeiten zu können, bestellen einige Kunden die Ware in Oktabins (achteckige Pappcontainer; die Red.). „Die Oktabins schwanken auf der Palette“, bemängelt Kemeter. Hier werde eine deutlich anspruchsvollere Ladungssicherung benötigt, da Oktabin und Palette nicht direkt miteinander verbunden seien.
Das Granulat im Oktabin fließe beispielsweise bei Kurvenfahrt. Bei rasanten Fahrmanövern könne sich der Oktabin ohne korrekte Ladungssicherung verschieben. Zusätzliche Verpackung kostet Zeit und Geld, erhöht aber die Sicherheit. Viele Probleme muss sie ad hoc und eigenverantwortlich lösen. „Als Transportplanerin habe ich heute einen anderen Job als früher“, erklärt sie.
Dieses Gefühl zu reisen, ohne selbst auf Reisen zu gehen, hat sie schon als Kind fasziniert. „Ich liebte es, vor einer Karte zu stehen und mich gedanklich an diese Orte zu bewegen.“ So sieht sie es auch heute noch. „Abends möchte ich wieder daheim sein.“ So ganz auf der Stelle will sie allerdings nicht treten. Vor kurzem hat sie sich bei der IHK als ehrenamtliche Prüferin beworben.
Nicht alles dem Beruf opfern: Die Frage nach der Karriere mit Personalverantwortung beantwortet sie mittlerweile etwas zögerlicher. „Das kostet zu viel Arbeitszeit“, wehrt die junge Logistikerin ab. Und fügt hinzu: „Momentan reizt es mich nicht so.“ Tag und Nacht will sie nicht dem Beruf opfern. Auch würde Personalverantwortung bedeuten, auf den Kontakt mit Spediteuren und den Mitarbeitern an den Ladestellen zu verzichten: „Das macht mir momentan aber am meisten Spaß.“ Ähnlich hat sie sich auch nach einem Praktikum bei der „Rhein- Main-Zeitung“ entschieden, das sie als Schülerin auf dem Gymnasium – wiederum als Preis bei einem Schülerzeitungswettbewerb – gewonnen hatte. „Ich habe mich damals auch dafür interessiert, in den Journalismus zu gehen, aber die Kollegen waren dort bis abends spät und an den Wochenenden im Büro, und das hat mich abgeschreckt.“
Interesse an der Logistik bekam sie kurze Zeit später durch eine IHKBroschüre, in der das Berufsfeld einer Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistungen vorgestellt wurde. Ein Büroberuf sollte es sein, mit einem Studium konnte sie sich nicht so recht anfreunden. „Es war die richtige Entscheidung. In der Ausbildung haben wir richtig viel gelernt.“ Neben Kemeter erreichte 2010 auch eine zweite Auszubildende von Zufall, Katharina Büttner, einen Platz unter den ersten drei beim DSLV-Nachwuchspreis.
Die Jury honorierte damals ihre detaillierte Auftragsplanung sowie ihre Präsentation eines Wasserrutschentransports nach Abu Dhabi. „Ich war sehr erstaunt über den ersten Platz“, sagt sie heute. Die Herausforderung habe ihr Spaß gemacht. „Man bekommt Feedback von anderen und erfährt, wie andere einen sehen.“