Um Karriere machen zu können, musste Malte Knorr heiraten. Sonst hätte der Absolvent der Deutschen Außenhandels- und Verkehrs-Akademie (DAV) 2012 nicht gemeinsam mit seiner Freundin von Deutschland in den Oman wechseln können. Dort bekam er bei DB Schenker die Chance, „eine neu gegründete Landesgesellschaft zu entwickeln“. Wieso hat sich der damals unter 30-Jährige das so einfach zugetraut?
Anker hatte er durch seine Ausbildung zum Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung in der Seefrachtsparte von DB Schenker zunächst im Hamburger Hafen gesetzt. Entscheidend für seinen Karrieresprung war ein Schlüsselerlebnis: 2006 vergaben der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) und die DVZ erstmals den Nachwuchspreis Spedition und Logistik – und Knorr wurde Zweiter beim Young Freight Forwarder Germany Award (YFFGA). „Das hat mein Selbstbewusstsein gestärkt und meine Karriere beschleunigt“, meint er rückblickend. Heute ist der 42-Jährige als Branch Manager Texas and Central USA Chef von über 100 Mitarbeitenden bei DB Schenker.
Zunächst jedoch verließ er ein Jahr nach seiner Ausbildung Schenker, um ein Vollzeitstudium an der DAV in Bremen zu beginnen. Der Berufsanfänger musste einen Kredit aufnehmen – damals ohne zu wissen, dass er nach seinem Bachelor-Abschluss wieder bei DB Schenker, diesmal am Firmensitz Essen, im Produktmanagement anheuern konnte. Dort fand er es dann zwar „spannend, ein Netzwerk aufzubauen und zu sehen, wie ein Unternehmen von der Zentrale aus geführt wird“. Zugleich vermisste Knorr nach fast drei Jahren „die Nähe zum Kunden und die operative Abwicklung“.
Der globale Seefrachtleiter genehmigte ihm, für Vorstellungsgespräche eine Woche um den Globus zu jetten – zu Niederlassungen nach Sydney und Jakarta sowie zu einem Delegierten nach Muscat (Oman). In Down Under erschien Knorr alles schon zu etabliert, er suchte keinen Spezialistenposten. In der indonesischen Hauptstadt störte ihn das Verkehrschaos. Im Oman konnte er lernen, eine Firma zu führen. Außerdem sei es dort „einfach vom Gefühl her so schön“ gewesen mit Sonne und Strand.
Aufbau eines Joint Ventures in Oman
Innerhalb von gut sieben Jahren baute Knorr im Sultanat ein Joint Venture mit fast 40 Beschäftigten an drei Standorten auf. Neben der Landeszentrale entstand in der Hauptstadt ein Luftfrachtbüro am Muscat International Airport, hinzu kam ein Seefrachtstandort in Sohar. „Eine tolle Sache“, resümiert der Manager, aber das Land sei für das Netzwerk von DB Schenker sehr klein: „Ob man im Oman erfolgreich ist, macht für das globale Ergebnis kaum einen Unterschied.“ Um weiterzukommen, musste er „zu einer Station, die mehr im Fokus steht“.
Mit 37 Jahren wechselte der gebürtige Hamburger mit seiner inzwischen vierköpfigen Familie nach Dallas, Texas. Ein Kulturschock, weil Leben und Arbeiten in den USA komplett anders funktionieren als im Oman. Anstatt Entwicklung und Wachstum anzukurbeln, musste er einen Turnaround bewältigen. In Dallas machte der Konzern 2019 Verluste. „Mich hat es gereizt, eine Niederlassung neu aufzustellen und die Krisensituation zu drehen“, sagt Knorr. Den Personalbestand reduzierte er im Zuge von strukturellen Änderungen von über 100 auf unter 60: „Es hat etwa ein Jahr gedauert, seitdem ist Dallas eine der profitabelsten DB-Schenker-Geschäftsstellen in den USA.“ Landesweit hat der Konzern circa 40, davon verantwortet Knorr 3 in Texas – außer dem Drehkreuz Dallas mit großem Lager auch Houston und El Paso mit einem Anfang 2024 gestarteten Lager. Hinzu kommen mit Denver, Omaha und St. Louis weitere Standorte im Zentrum der USA.
Um weiterzukommen, suchte ich eine Station, die mehr im Fokus steht.
Malte Knorr
Am besten gefällt Knorr „die Abwechslung in der Geschäftsführung, dass man überall in jedem Thema involviert ist“. Den enormen Druck kannte er aus dem Oman nicht, denn in den USA betreut er mit seinem Team viele wichtige globale Kunden. „Jeder Einzelne hat eigene Quartalsenden, Projekte und Arbeitsspitzen. Dann richten sich von einer enormen Anzahl Beteiligter alle Augen auf die jeweiligen Geschäftsstellen“, berichtet er. Die Branchen reichen von der Öl- und Gasindustrie in Houston über Tech-Unternehmen für Halbleiter, Elektronik oder Medizintechnik in Austin (auch Silicon Hills genannt) bis zum strategischen Nearshoring-Standort El Paso für die Automobilindustrie und andere Güter aus Mexiko.
Mit dem Logistikberuf hat sich Knorr seinen Traum erfüllt, „international zu arbeiten und etwas von der Welt zu sehen“. Doch bei aller Begeisterung betrachtet er den Sektor durchaus kritisch: „Viele Spediteure hinken bei der Digitalisierung hinterher und nutzen noch ein jahrzehntealtes Transportmanagementsystem.“ Das führe zu „Herausforderungen bei der Datenanalyse“ und erschwere es, für die Logistik Nachwuchskräfte zu begeistern. In den USA gibt es keine Speditionsausbildung wie in Deutschland.
Demgegenüber merkt er im privaten Bereich, dass viele Dinge, wie ein Konto online eröffnen, deutlich einfacher und schneller möglich sind als in Deutschland. Zurückzukehren ist für ihn vorerst keine Option. Schade findet er nur, dass unter der Entfernung alte Kontakte leiden wie zum YFFGA-Gewinner seines Jahrgangs und späteren Freund an der DAV, an der beide einen Einser-Abschluss schafften. Glücklich verheiratet ist Malte Knorr übrigens immer noch.